Operndiva mit Charisma
Die Salzburgerin
NATALIA USHAKOVA – EINE SÄNGERIN, DIE DAS UNIVERSUM DES SOPRANFACHS DURCHMISST
Wenn sie die Stimme erhebt, ist es ihre innere Stimme, ihre Seele,
die zum Publikum dringt. Die Stimme, das Organ, das in ihrer Kehle
wohnt, ist nicht mehr und weniger als das Instrument, auf dem die Seele
spielt. Es ist ein kostbares Instrument, mit dem sich die Vibrationen
und Eruptionen ihrer Seele mitteilen: Aus dunkler Mittellage und Tiefe,
die bis in Mezzo-Regionen hinabreicht, schwingt sich Natalia Ushakovas
Sopran scheinbar mühelos in lichteste Höhen, hellt sich auf, als wären
die Töne in gleißendes Licht getaucht. „Niemand singt diese extremen
Höhen und die Koloraturen mit so einer Leichtigkeit und Freude wie sie“,
weiß Hilde Zadek Natalia Ushakovas geniale Mentorin.
Der Spannungsbogen in dem sich ihre Stimme zwischen dunkler Erde und
heller Himmelhöhe des hohen F bewegt, ist eines der Faszinosa, die
Natalia Ushakovas Publikum und stetig wachsende Verehrergemeinde immer
wieder in Atem hält. Zu den Vorzügen ihres Singens zählt auch die
besonders feine Pianokultur – eine Tugend, die im Musikbetrieb längst
nicht mehr selbstverständlich ist. „Man kann sie kaum erlernen, sie ist
mir angeboren“, sagt Natalia Ushakova dankbar. Kenner sind sich auch
einig, dass in ihrem unverwechselbar timbrierten Sopran die berühmte
„Träne“ mitzuhören ist, wie sie nur den ganz Großen – einem Giuseppe di
Stefano, einem José Carreras in seiner Glanzzeit oder der Callas – eigen
war.
Gewiss, die ewigen Vergleiche aufstrebender Sängerinnen mit Maria Callas
(„eine neue Callas“) ermüden, sind meist nicht angebracht und hinken
bedenklich. Die Callas ist singulär, unvergleichlich und wird niemals zu
klonen sein, weil auch sie ihre ganz persönliche, ureigene und niemals
zu duplizierende innere Stimme geradezu rücksichtslos nach außen kehrte.
Doch Anklänge dürfen sich aufdrängen: Auch die Callas vereinte eine
zuweilen stark abgedunkelte Tiefe und mittlere Lage mit hoch reichender
Koloratur und sang lyrisch-dramatische Partien, Belcanto und
halsbrecherische Koloraturen gleichermaßen.
Darin sind Ahnungen von Ähnlichkeit zwischen der einstigen Primadonna
assoluta und Natalia Ushakova zu erkennen. Auch wenn die aus Russland
stammende Sängerin mittlerweile den als Fachwechsel kommunizierten
Schwenk zum Koloratursopran vollzogen hat, berührt sie weiterhin
zutiefst mit hoch expressivem lyrisch-dramatischem Gesang – was sie für
ihre beide Anforderungen vereinende Lieblingspartie der Violetta in
Verdis „Traviata“ geradezu prädestiniert. Sollte man daher statt von
Fachwechsel von Facherweiterung sprechen?
Ganz zu Beginn ihrer Karriere hat Natalia Ushakova voluminöse Partien
wie die Abigaile in „Nabucco“ gesungen, sie war Desdemona in Stuttgart,
Tatjana in „Eugen Onegin“ und Lisa in „Pique Dame“ an der Seite Placido
Domingos als Hermann in Washington – und sie sang Rollen wie die Elsa in
„Lohengrin“ … Doch da war wieder die innere Stimme, die ihr schon in
Jugendjahren suggerierte: „Ich möchte irgendwann die Lucia singen.“
Kammersängerin Hilde Zadek, die Große, hatte nicht nur das feine Ohr für
Natalia Ushakovas Sopran, sie verhalf auch der inneren Stimme ihrer
Schülerin zu ihrem Recht: „Was singst Du Salome, Butterfly und Tosca,
wenn Du so hohe Töne drauf hast?“, fragte die Zadek und begleitet
seither ihre Schülerin auf ihrem Höhenflug ins Koloraturfach. Natalia
Ushakova bezeichnet sich selbst als Besessene. Nun lebt sie ihre
gestalterische Besessenheit vor allem im Belcanto aus, zwischen
lyrischer Empfindsamkeit (mit Hang zu dramatischer Expression) und
virtuoser Koloratur.
Doch über dem Vorstoß ins Koloraturfach vergisst Natalia Ushakova zur
Freude ihrer Fans nicht, dass sie – und so empfindet man es – noch immer
auch im jugendlich-dramatischen Fach zu Hause ist. Die als Hommage an
Verdi und Wagner gedachten Bonusnummern des vorliegenden Albums zeigen
sie auch als Elisabeth in „Tannhäuser “ und als Elsa in „Lohengrin“.
Selbst Wagnerianer bescheinigen der Partie der Elsa eher blassen
Charakter: Sie sei von Wagner nicht in dem Maße geformt wie andere
Figuren seines gigantischen Œuvres. Natalia Ushakova scheint das
Gegenteil beweisen zu wollen: So intensiv, so inbrünstig so hoch
expressiv wie von ihr bekommt man die Elsa nur selten zu hören. Und die
innere Stimme flüstert ihr auch diesen Traum ein: dereinst mit Jonas
Kaufmann, mit dem sie sich blendend versteht und mit dem sie die gleiche
Wellenlänge teilt, in „Lohengrin“ aufzutreten. Ein Traum, den ihre
Verehrer nur allzu gerne mitträumen.
Natalia Ushakovas Temperament lässt sie gerne die Arme ausbreiten, wenn
ihr jemand begegnet, der ihre Sympathie hat. Zwischen diesen Armen
bleibt noch viel Platz für ein weit gespanntes Repertoire von Elsa bis
Lucia di Lammermoor.
Johannes Koprivnikar
Kammersängerin Hilde Zadek über Natalia Ushakova:
„Ich habe noch nie jemanden erlebt, der so eine Freude daran hat, hohe Töne zu singen.“
„Wo nimmt sie diese Töne her? Und sie machen ihr auch noch Spaß!“
„Sie ist die begabteste Sängerin, die ich in meinem ganzen Leben gesehen habe.“
„Es gibt für mich heute keine Bessere als Sie.“